AG „Lokalgeschichte/Stolpersteine“ des Märkischen Gymnasiums hinterfragt, was Zeitgenossen vom Holocaust wissen konnten
Bringen seit Jahren Licht in das Dunkel der Geschichte: Die Mitglieder der AG „Lokalgeschichte/Stolpersteine“ des Märkischen Gymnasiums mit ihren Lehrerinnen Anke Buetz und Susanne Hamm. Gemeinsam mit Bürgermeister Stephan Langhard legten sie den Kranz am Gedenkstein für Schwelms frühere jüdische Bürger nieder.
Rund 100 Bürgerinnen und Bürger waren der Einladung der Stadtverwaltung Schwelm nachgekommen, am Holocaust-Gedenktag am Gedenkstein an der Südstraße an die früheren Schwelmer jüdischen Glaubens zu erinnern. Seit über 20 Jahren richtet die Stadt dieses Gedenken aus, das seit vielen Jahren mit wegweisenden Beiträgen von der Arbeitsgemeinschaft „Lokalgeschichte/Stolpersteine“ mitgestaltet wird. Das Gedenken findet stets großen Rückhalt in der Bevölkerung, der Bürgermeister Stephan Langhard in seiner Ansprache für ihre überwältigende Teilnahme herzlich dankte.
Mit Applaus bedankten sich die Teilnehmer des Gedenkens für die Ansprache des Bürgermeisters und den Beitrag der AG „Lokalgeschichte/Stolpersteine“.
Die Schülerinnen der „AG Lokalgeschichte/Stolpersteine“ und ihre Lehrerinnen Anke Buetzund Susanne Hamm hinterfragten in Rede und Gegenrede die nach 1945 von vielen Zeitzeugen vertretene Behauptung: „Davon haben wir nichts gewusst!“ Dieser Behauptung wurden verbriefte Zitate und Schilderungen gegenübergestellt, die belegten, dass viele Bürger mit eigenen Augen gesehen haben, was mit Verfolgten geschah. Ein Überlebender des Konzentrationslagers Neuengamme wusste: „Jede Wolke aus dem Krematorium ein Menschenleben. Rund um die Uhr kam der Rauch da raus. Natürlich hat die Bevölkerung von Neuengamme das gesehen. Es kam ja immer ein Bauer, der die Asche aus dem Krematorium abholte, als Dünger.“ Andere Bürger nahmen an öffentlich annoncierten „Wohnungsaufgaben aus nichtarischem Besitz“ oder der Versteigerung des Besitzes zweier zuvor deportierter Frauen teil, und zwar in der Wohnung der Opfer, so dass sie „als Käufer gewusst haben dürften, wem die Dinge, für die sie nun boten, einst gehört hatten“.
Fast 10.000 jüdische Männer wurden in den Tagen nach dem Novemberpogrom 1938 in das KZ Buchenwald deportiert. Mit der Reichsbahn wurden sie zum Weimarer Hauptbahnhof transportiert, wo SS-Leute und Hilfspolizisten sie durch den Tunneldurchgang trieben und zusammenschlugen. Die Misshandlungen fanden in aller Öffentlichkeit statt. Der Weimarer Klaus Engelhardt, damals noch ein Kind, berichtet: „Es ging damals wie ein Lauffeuer bei uns Kindern die Nachricht um, dass am Bahnhof Juden ‚ausgeladen‘ werden“.
Und die Widerstandsgruppe „Weißen Rose“ schreibt in einem Flugblatt: „(…) nur als Beispiel wollen wir die Tatsache kurz anführen, die Tatsache, dass seit der Eroberung Polens dreihunderttausend Juden in diesem Land auf bestialischste Art ermordet worden sind. (…) Wozu wir dies Ihnen alles erzählen, da Sie es schon selber wissen, wenn nicht diese, so andere gleich schwere Verbrechen (…)? Weil hier eine Frage berührt wird, die uns alle zutiefst angeht und allen zu denken geben muss. Warum verhält sich das deutsche Volk angesichts all dieser scheußlichsten menschenunwürdigsten Verbrechen so apathisch? (…) Es scheint so und ist es bestimmt, wenn der Deutsche nicht endlich aus dieser Dumpfheit auffährt, wenn er nicht protestiert, wo immer er nur kann, gegen diese Verbrecherclique, wenn er mit diesen Hunderttausenden von Opfern nicht mitleidet. Und nicht nur Mitleid muss er empfinden, nein, noch viel mehr: Mitschuld“.
Das Gedenken endete mit einer Schweigeminute und der Niederlegung eines Kranzes für die früheren Schwelmer Juden.
(Quelle: Pressemitteilung der Stadt Schwelm, 30.01.2024; (leicht gekürzter Text); Fotos: Heike Rudolph / Yvonne Brameier)