Hochrangiger Besuch aus Peru am MGS – Schülerschaft erfährt hautnah, wie ihre Spenden an den Verein Chance e.V. zur Rettung des Regenwaldes und zur Verbesserung der Lebenschancen von Kindern eingesetzt werden

Am 14. September füllte sich die Aula des Märkischen Gymnasiums gleich zwei Mal bis an ihre Auslastungsgrenze. In zwei Gruppen lauschten die Schüler*innen der Sekundarstufe I gebannt den emotionalen Vorträgen dreier Nachkommen des im peruanischen Regenwald lebenden Yanesha-Volkes.

Zunächst berichtete Stammesoberhaupt Pablo Hoyos über seinen schwierigen Weg zurück in seine Heimat, den peruanischen Regenwald. Nachdem seine Eltern und Großeltern unter anderem von deutschstämmigen Siedlern, die die Regenwälder zur landwirtschaftlichen Nutzung zerstörten, aus ihrem ursprünglichen Lebensraum vertrieben worden waren, wuchs Pablo als Binnenflüchtling im eigenen Land in bitterer Armut auf. Bereits in der Schule erfuhr er als Teil der indigenen Bevölkerung Diskriminierung und Ausgrenzung. Da seine Eltern den Schulbesuch zudem kaum finanzieren konnten, entschloss sich Pablo mit gerade einmal elf Jahren, seine Heimat zu verlassen. Dadurch konnte er seine Lage jedoch nicht verbessern. Hoyos erzählte den sichtlich ergriffenen Schüler*innen und Lehrer*innen von Sklavenarbeit in der peruanischen Hauptstadt Lima, Misshandlungen während des Militärdienstes und Verfolgung und Bedrohung nach seiner Rückkehr in die Yanesha-Gebiete. „Es wurde einfach immer schlimmer“, resümiert Hoyos seinen Leidensweg. Dass es den Yanesha heute besser geht, und auch der 1960 geborene Pablo Hoyos positiv in die Zukunft seiner Kinder und Enkelkinder blickt, liegt nicht zuletzt am Engagement von Jens Bergmann. Sein Verein Chance e.V. bietet der indigenen Bevölkerung Hilfe zur Selbsthilfe, indem er Kindern den Schulbesuch ermöglicht und die Erwachsenen darin ausbildet, ihre Rechte gegenüber dem peruanischen Staat durchzusetzen.

Weiterführend berichtete Estela Jimenez von ihren Erfahrungen als erste zur Dorfchefin gewählten Yanesha-Frau. Gerade durch die in ihre Amtszeit fallende Corona-Pandemie erlebte Jimenez ihre Aufgabe als sehr herausfordernd. Die Yanesha seien noch nicht daran gewöhnt, dass auch Frauen Führungsaufgaben übernehmen, erklärte sie dem äußerst interessierten jugendlichen Publikum. 

Anhand eines im Laufe der Veranstaltung eingespielten Informationsvideos zum Projekt „Mein Regenwald“ erläuterte die ebenfalls nach Schwelm gereiste Projektleiterin Elisabeth Luque den Schüler*innen, welche Bedeutung der Regenwald für die Yanesha und den Klimaschutz besitzt und wie sich Chance e.V. für diesen Lebensraum einsetzt. 

Jens Bergmann, Gründer des Vereins Chance e.V., der 1994 selbst am Märkischen Gymnasium die Abiturprüfung abgelegt hatte, moderierte die Veranstaltung und übersetzte die Vorträge aus dem Spanischen. Eindringlich machte er den Schüler*innen klar, wie der Raubbau am Regenwald unser aller Leben betrifft. Er führte aus, dass bereits 80 Prozent des Regenwaldes und dessen Artenvielfalt schon während der Lebenszeit ihrer Großeltern verschwunden seien. Das Erreichen des Kipppunktes für das Weltklima – allein durch die immer weiter zunehmende Zerstörung des südamerikanischen Regenwaldes zugunsten von Landwirtschaft und Goldabbau – hätte katastrophale Folgen. „Stellt euch vor, wie die Welt aussehen wird, wenn ihr so alt seid wie ich jetzt“, mahnte Bergmann in diesem Zusammenhang die versammelte Schülerschaft. In seinen Ausführungen wies Bergmann alle Anwesenden auch darauf hin, dass die Möglichkeit, den eigenen CO2-Fußabdruck durch die Übernahme einer Waldpatenschaft zu kompensieren, nicht nur Unternehmen, Kirchengemeinden und staatlichen Institutionen wie Schulen, sondern auch Einzelpersonen und Familien offenstehe.

Bürgermeister Stephan Langhard dankte in seinem Grußwort den Gästen für ihren Einsatz, der weit über das Engagement für ihr eigenes Volk der Yanesha hinausgehe. Es sei ein Einsatz für die ganze Welt, die der Ausbeutung und Vertreibung von indigenen Menschen Einhalt gebieten muss. Er dankte Jens Bergmann, seinem Verein Chance e.V. und dem MGS, „das mit der Einladung von Stammesoberhaupt Hoyos tut, was eine gute Schule leisten sollte: Ideale vorstellen, neben der Fachvermittlung auch die Herzensbildung stärken und Menschlichkeit und Gerechtigkeit befördern.“

In der sich anschließenden Gesprächsrunde aus dem Schulleiterinnen-Team Katharina Vogt und Anita Neumann-Adolphs, Bürgermeister Langhard und Schüler*innen und Lehrer*innen aus den Arbeitsgemeinschaften zu Klimaschutz und Patenprojekt sowie der Schülervertretung des Gymnasiums zeigten die anwesenden Schüler*innen großes Interesse an den ihnen so fremden Lebensbedingungen der Yanesha. Dabei interessierten sie sich vor allem auch für das Leben und die Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen in den Dörfern und stellten den Gästen viele Fragen z. B. über die Organisation des Schulbesuchs und das Alltagslebens der Yanesha-Kinder, welche von den Gästen sehr offen und geduldig beantwortet wurden. Gerade die Information, wie sehr auch das Bildungswesen in Peru von Korruption durchsetzt ist, sodass ärmere Familien immer wieder ausgeschlossen werden und auf die Hilfe von Organisationen wie Chance e.V. angewiesen sind, um z. B. Schulmaterial zu bezahlen oder gegen korrupte Lehrkräfte oder Beamte vorzugehen, erstaunte und entsetzte die Schüler*innen.

Dank des intensiven Austauschs und der eindrucksvollen Berichte aus Peru konnte jeder Beteiligte an diesem Tag sein Weltwissen enorm erweitern und eine sehr konkrete Vorstellung davon gewinnen, welche Ziele das Gymnasium als erste Regenwaldschule durch die Kooperation mit dem Verein Chance e.V. verfolgt. So hat sich die AG Klimaneutrale Schule des MGS zur Aufgabe gemacht, die durch den Schulbetrieb freigesetzten klimaschädlichen Emissionen durch eine entsprechende finanzielle Unterstützung des Chance e.V. – Unterprojekts „Mein Regenwald“ auszugleichen. Unter anderem konnten schon im letzten Schuljahr durch den Erlös eines Klima-Spendenlaufs vier Dorfgemeinschaften anerkannt werden. Das Territorium der Dörfer wurde zu diesem Zweck vermessen und ist nun als solches juristisch vor Landraub geschützt. Dafür, dass dieser Rechtsanspruch auch durchgesetzt wird, sorgt Chance e.V. vor Ort mit Waldwächtern, die helfen die Unversehrtheit des letzten verbliebenen Regenwaldes als grüne Lunge der Erde sicherzustellen. Die Motivation, sich für den aktuellen Sponsorenlauf der Klima-AG und das von Lehrerin Stefani Jokisch betreute Patenkinder-Programm einzusetzen, dürfte nach dieser Veranstaltung noch einmal deutlich gesteigert worden sein. 

Autorin: Katharina Münstermann