Arbeitskräftemangel mit Ausbildung, Qualifikation und gesteuerter Zuwanderung wirksam begegnen
Mit einem Thema von großer wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Brisanz – nämlich dem Fachkräftemangel und der angespannten Situation auf dem Ausbildungsmarkt – befasste sich jetzt der erste Schwelmer Unternehmer Lunch. Für die Stadt Schwelm hatte Wirtschaftsförderer Oliver Kochs dazu in die Räume der Volkshochschule in Schwelms Kulturhaus in der Römerstraße eingeladen.
„Bei früheren Treffen, aber auch in zahlreichen persönlichen Gesprächen ist das Thema Fachkräftemangel und Nachwuchskräfte immer wieder angesprochen worden. An der Dramatik hat sich nichts geändert, da noch letzte Woche die Handwerkskammer Dortmund 131 offene Ausbildungsplätz für den EN-Kreis gemeldet hat und im gewerblich-technischen Bereich dürfte es nicht anders aussehen“, eröffnete Bürgermeister Stephan Langhard die gut besuchte Veranstaltung.
Da nicht nur Ausbildungsstellen unbesetzt blieben, sondern in der Folge auch Fach- und Führungspositionen, würde die gesamte Wertschöpfungskette einer Wirtschaft sowie künftiges Wirtschaftswachstum ausgebremst.
Das Stadtoberhaupt rief zu einem gemeinsamen Vorgehen von Handel, Gewerbe, Industrie, Stadt und Schulen auf, denn: „Ob Sie als Unternehmer oder wir in der Verwaltung, die Herausforderungen, geeignete Fachkräfte zu finden und auch zu halten, ist gleich schwierig, deshalb lassen Sie uns gemeinsam nach Ideen suchen und diese vor allem auch umsetzen!“
„Berufsberatung und –qualifikation ist für uns ein wichtiges Thema“, unterstrich Katharina Vogt, Direktorin des Märkischen Gymnasiums Schwelm, denn „unsere Schule führt nicht nur zu akademischen Berufen hin“. Vielmehr solle jeder einen Schulabschluss erhalten, mit dem er auf dem Arbeitsmarkt bestehen könne.
MGS-Lehrer Lars Bremkamp führte aus, dass man ab Klasse 8 die Schülerinnen und Schüler für die weitere Lebensgestaltung sensibilisiere, indem man sie behutsam an Themen wie den späteren Berufsweg heranführe („Das sind meine Stärken und Fähigkeiten!“ In der Jahrgangsstufe 9 werden diese Kenntnisse vertieft („Meine Stärken und Fähigkeiten werden gebraucht!“).
Mit dem Beginn der Oberstufe rückt die Studienorientierung stärker ins Blickfeld, ausgedrückt durch das Motto der Jahrgangsstufe 10: „Arbeitsmarkt oder Uni – das eignet sich für mich!“ In der Q1 konkretisiert sich der Berufs- und Studienwahlprozess soweit, dass die Schülerinnen und Schüler wissen: „Jetzt wird’s ernst – Das muss ich tun um meine Pläne zu verwirklichen!“ Und etwas später sollten sie den Entscheidungsprozess „Studium oder Beruf“ zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht haben. Der gesamte Prozess der Berufs – und Studienwahlfindung wird durch den „Berufswahlpass“ begleitet.
Katharina Vogt sieht Probleme „weniger in unserer Beratung, sondern eher darin, dass es für junge Menschen sehr schwierig geworden ist, sich festzulegen“. In der Schule zu sein, sei behütet sein. Es sei nicht einfach, eine Ausbildung zu beginnen und sich zu sagen, das halte ich jetzt mal drei Jahre durch, ich entscheide mich, übernehme Pflichten und trage Verantwortung. Aber das müssten Eltern und Gesellschaft gemeinsam angehen. Sie selbst habe, obwohl sie wusste, dass sie studieren würde, nach dem Abitur zunächst eine Ausbildung absolviert. Wer eine Ausbildung gemeistert habe, müsse nicht 30 Jahre im selben Beruf bleiben.
Ralf Stoffels (Unternehmer, Präsident der SIHK und der IHK NRW sowie DIHK-Vizepräsident) treibt als Inhaber eines mittelständischen Produktionsunternehmens die Frage um: „Wie kann man Zukunft nachhaltig gestalten?“ Mittelständische Unternehmen könnten „nur wachsen oder sterben“. Er habe mit 40 Mitarbeitern angefangen, nun zähle seine Gruppe 700 Mitarbeiter. „Doch die dringend benötigten Arbeitskräfte – nicht nur Facharbeiter – gehen uns gerade verloren. Die Lücke bei den Arbeitskräften ist schon da und wird bis 2030 in NRW auf 1 Million Menschen anwachsen, und das in allen Bereichen“.
„Der demografische Wandel ist längst Realität“, so Ralf Stoffels, „wir haben nicht genug Leute für unser Wirtschaftssystem. Er sieht vier Ansätze, um „die Stärke unseres Standortes beizubehalten“: Erstens die Stärkung der Berufsorientierung. Zweitens das Nutzen aller Potentiale – mehr Frauen in die Berufe, mehr ältere Menschen in den Berufen halten. Drittens die gesteuerte Zuwanderung. „Hier braucht es politische Steuerungsinstrumente. Wir haben keine Willkommenskultur und wir sind zu bürokratisch. Wir brauchen Menschen, die bereit sind, zu uns zu kommen, die Spezialisierung machen wir in den Betrieben“. Viertens: „Das Sichtbarmachen der Kompetenzen und die Weiterbildung unserer Leute: Wir müssen zeigen, dass jeder zum Ganzen beiträgt; das Miteinander muss gestärkt werden“.
Iris Baeck ist nicht nur die stellvertretende Leiterin der VHS-Ennepe-Süd, sondern auch im Rahmen ihrer Fachbereichsleiterinnen-Tätigkeit für die übergeordnete Koordination der Berufsausbildung in außerbetrieblichen Einrichtungen zuständig. Dieses Modell stellte sie den interessierten Veranstaltungs-Teilnehmern vor. Demnach werden Jugendliche und auch ein wenig ältere Bürger, die sich im Leistungsbezeug befinden (Job-Center) und noch einmal durchstarten möchten, von einem Integrationscoach auf die VHS aufmerksam gemacht.
Dort führt man mit ihnen ein Erstgespräch, sichtet Bewerbungsunterlagen, spricht über den Lebenslauf und die favorisierte Ausbildungsrichtung. Bei günstiger Prognose wird dem Bewerber ein Pädagoge der DIA gGmbH an die Seite gestellt, der auch einen Ausbildungsbetrieb sucht. Wird dieser gefunden, so Iris Baeck, „übernimmt die Firma den praktischen Part, und wir kümmern uns um alles andere“ (Berufsschulanmeldung usw). Die Kosten werden vom Job-Center übernommen, mit dem man kooperiert. Zum 1.9. startet das 3. Ausbildungsprojekt dieser Art. Iris Baeck: „Bitte nehmen Sie diese Idee ernst; wir kommen gerne in Ihre Betriebe und stellen das Modell vor“. Außerdem bot die Fachfrau an, in den Unternehmen auch das VHS-Portfolio zur Weiterbildung von Mitarbeitern zu erläutern.
Für die Agentur für Arbeit in Hagen sprach Bereichsleiterin Monika Kotzur von einem derzeit hohen Beschäftigungsstand in Schwelm, der aber stagniere. „In den nächsten zehn Jahren erreichen 24,6 Prozent aller Beschäftigten das 65. Lebensjahr. Die Unternehmen haben einen hohen Fachkräftebedarf und müssen mehr in Ausbildung und Qualifikation investieren!“ Das Interesse vieler junger Leute an einer Dualen Ausbildung habe nachgelassen, Berufe müssten heute auch „sexy“ sein. Für die Fachfrau baut die Arbeitskräftesicherung auf drei Säulen auf: Ausbildung, Qualifizierung und Zuwanderung. Es müsse vor allem gelingen, die Fülle der Ausbildungsberufe bekannter zu machen.
Der anschließende offene Austausch endete gegen 13 Uhr. Oliver Kochs: „Der Unternehmer Lunch wird von nun an als festes Format Unternehmerinnen, Unternehmern und Führungskräften die Gelegenheit geben, sich in der Mittagspause zu einem wichtigen Thema miteinander auszutauschen“. Das nächste Treffen ist für das erste Quartal 2024 vorgesehen.
(Pressemitteilung der Stadtverwaltung Schwelm; redaktionell bearbeitet)