Am 22.01.1963 unterzeichneten der französische Staatspräsident Charles de Gaulle und der deutsche Bundeskanzler Konrad Adenauer den Elysée-Vertrag. Sie wollten einen Schlussstrich setzen unter ein Jahrhundert grauenvoller Kriege und Perspektiven schaffen für ein neues Europa. Der Vertrag war auch Auslöser für unzählige Städte- und Schulpartnerschaften. Das Deutsch-Französische Jugendwerk wurde noch im gleichen Jahr gegründet. Im Jahre 2019 gab es als Ergänzung den Aachener Vertrag zwischen Emmanuel Macron und Angela Merkel: neue Gegebenheiten, die Stellung der beiden Staaten in der EU und die Anforderungen einer globalisierten Welt wurden miteinbezogen.
Wie in diesen Verträgen die vielfältigen Beziehungen zwischen den Nachbarstaaten Frankreich und Deutschland, die zwei Jahrhunderte lang als Erbfeinde galten, umgesetzt werden sollten, so hat auch Schwelm sich an diesem Vorhaben sehr aktiv beteiligt:
Einerseits auf der städtischen Ebene: In den 1990er Jahren gab es zahlreiche Austauschbegegnungen zwischen Jugendlichen und Sportler*innen der Städte Fourqueux und der Stadt Schwelm. Immer wieder hatte damals Herr Vestweber vom Jugendamt Schwelm neue Ideen für Austauschbegegnungen. 2007 wurde diese Beziehung als Städtepartnerschaft unter dem damaligen Bürgermeister Dr. Steinrücke offiziell. Vereine, die die Städtepartnerschaft zwischen Fourqueux und Schwelm organisieren und die Begegnungen engagiert umsetzen, sind auf beiden Seiten durchgehend aktiv. – Seitdem finden in jedem Jahr mindestens zum Patronatsfest in Fourqueux und kurz vorher zum Heimatfest in Schwelm und zum Feiertag des 11. November, dem Tag des Waffenstillstands des 1. Weltkriegs, und kurz darauf zum Volkstrauertag Begegnungen zwischen beiden Städten statt. Auch im vergangenen Jahr gab es wieder diese Begegnungen, wie in einem ausführlichen Bericht darüber dargelegt wurde (z.B. WR 15.11.2022). In seiner Ansprache machte der Schwelmer Bürgermeister Stephan Langhard dabei deutlich, dass Krieg als Weg der Auseinandersetzung nicht mehr in Frage kommt. Und der Maire délégué Daniel Level aus Schwelms Partnerstadt Fourqueux trug nicht die trikolore Schärpe, um deutlich zu machen, dass es um Europa und eben seit dem Februar 2022 auch um einen Krieg auf europäischem Boden geht. Wort- und Bildbeiträge von Schüler*innen des Märkischen Gymnasiums begleiteten diese Gedenkveranstaltung.
Andererseits auf der schulischen Ebene: Bereits seit 1981 finden zwischen dem Lycée Mongazon (Angers), seit 1982 auch dem Lycée Bourg-Chevreau (Segré) auf der französischen Seite und dem Märkischen Gymnasium Schwelm auf der deutschen Seite jedes Jahr sowohl Hin- und Rücktausch von Schüler*innengruppen statt. Die Austausch-Verbindung zwischen Segré und Schwelm, die weiterhin existiert, dauert also 40 Jahre an, und der Besuch in Schwelm fand auch im November 2022 wieder statt. Anita Tromeur und Jean-Claude Fabius waren mit 19 Schüler*innen hier in der Kreisstadt, wie bereits berichtet wurde. Den Schwelmer Familien, die einen französischen Gast aufgenommen haben, sei an dieser Stelle nochmal gedankt. – In den 1990er Jahren versuchten zwei Französichlehrer des MGS (Christian Harde und Karl-Wilhelm Quabeck) Segré und Schwelm zu Partnerstädten zu machen. Vergebens. In Segré (ca. 6000 Einwohner) hatte man Angst vor der großen Stadt Schwelm (ca. 28000 Einwohner). Die Stadt Lauingen an der Donau wurde dann von Segré bevorzugt, und diese Städtepartnerschaft existiert bis heute.
Infolgedessen wird deutlich: Sowohl auf der städtischen als auch auf der schulischen Ebene hat Schwelm den alten Elysée-Vertrag, dessen 60. Jubiläum wir am 22.01.2023 begehen, in hohem Maße umgesetzt. Oft erfolgt eine finanzielle Unterstützung auf beiden Ebenen durch das oben erwähnte DFJW, die Schulbesuche aus Frankreich immer durch die Grünewaldstiftung. Möge dieses Engagement, das exemplarisch für die Aussöhnung zweier Staaten steht, weiterhin bestehen und auch Auswirkungen für andere Beziehungen zwischen Staaten zeigen.
Autorin: Friederike Thomas